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Die Entwicklung der Wagenheizung bei den Eisenbahnen im Königreich Bayern


Dr. Gert von Rosen - von Hoewel, Dr. Andreas Werner

3. Technische Ausführung und Weiterentwicklung

Nach Angaben der Generaldirektion entsprach die Haag´sche Konstruktion derjenigen der preußischen Ostbahnen. Es liegt ein Übersichtsplan der Firma vom 28.09.1868 mit Wagen 1./2. Klasse und einem zum Heizwagen eingerichteten Gepäckwagen vor (Abb.4-5). Im Gegensatz zur Skizze des Personenwagens ist die des Heizwagens völlig unmaßstäblich und es fehlen Bremserhaus und -bühne. Ein Stehkessel diente zur Dampferzeugung und vier Behälter zum Speichern von Wasser und Kohle.

Bild Gepäckwagen, l.: Längsschnitt, r.: Grundriss mit Kohle- (unten) und Wasserbehälter (oben).
Abb.4: Gepäckwagen, l.: Längsschnitt, r.: Grundriss mit Kohle- (unten) und Wasserbehälter (oben)18.

Die Dampfleitung führte unter den Wagenböden entlang und war an jedem Ende mit einem Hahn versehen, so daß sie "mittelst Schlauchverschraubung, wie die Schläuche bei den Feuerspritzen" über einen Dampfschlauch mit den Leitungen der Nachbarwagen verbunden werden konnte. Von den Dampfleitungen aus gingen nach oben Abzweigungen zu den Heizrohren unter jeder Sitzbank ab. In der Wagenmitte lag der Höhepunkt der Dampfleitung so, dass im Tiefpunkt des bogenförmigen Knies der gekuppelten Heizschläuche mittels eines Absperrventils Kondenswasser ablaufen konnte19.

Bild Personenwagen 1./2. Klasse, l.: Längsschnitt, r.: Querschnitt mit Regulator.
Abb.5: Personenwagen 1./2. Klasse, l.: Längsschnitt, r.: Querschnitt mit Regulator18.

Im März 1869 erfolgte eine erste Berichterstattung über die durchgeführten Test­fahrten. Ein Wagenzug aus den vier Wagen der Polsterklasse und dem "Gepäck­wagen", wie der Heizwagen anfangs noch genannt wurde, wurden bis zum 26. Februar zwischen Augsburg und Lindau bei insgesamt 22 Eilzugfahrten in beiden Richtungen getestet. Alle Fahren sind ohne Störungen absolviert worden, und der Kohleverbrauch hat nur 1 Zentner pro einer Hin- und Rückfahrt betragen. Obwohl das Wetter relativ mild war, war man überzeugt, dass die Anlagen auch bei strenger Kälte zufriedenstellend arbeiten könnte. Die Temperatur betrug in den Wagen 17,5°-21,25°, konnte aber ohne besonderen Aufwand bis auf 25°-31,25° erhöht werden (die Kommawerte sind durch Umrechnung von Grad Rèaumur in Grad Celsius entstanden).

Unter Extrembedingungen bei einer Außentemperatur von -18,75°C konnten die Abteile im Versuchsbetrieb auf +20°C temperiert werden. In diesem Fall belief sich der Kohlenverbrauch bei einem Schnellzug aus vier Wagen und einer Reisegeschwindigkeit von 50 km/h auf 6,25 kg Steinkohle und 40 kg Wasser pro Wagen und Stunde, bei einem Personenzug aus sechs Wagen und einer Reisegeschwindigkeit von 35 km/h jeweils 4,67 kg Steinkohle und 30 kg Wasser. Unter normalen Umständen war der Verbrauch weit niedriger und belief sich auf etwa 2 kg Steinkohle und 9 kg Wasser pro Wagen und Stunde11.

Am 27.02.1869 ist der Versuchszug zusammen mit den neu eingerichteten Wagen 3. Klasse als Postzug von Augsburg nach München getestet worden. Dieser Postzug verkehrte dann in den Monaten März und April regelmäßig zwischen München und Bamberg20. Die Heizungsanlagehat ohne besondere Beanstan­dungen ihren Dienst verrichtet. Der Kohleverbrauch lag bei 6-7 Zentner für eine Hin- und Rückfahrt. Es musste zweimal auf Zwischenstationen Wasser gefasst werden, weshalb vorgeschlagen wurde, einen größeren Wassertank unter dem Wagenboden des Heizwagens anzubringen. Bei den 3.-Klasse-Wagen verhinderten die beiden Heizröhren die gewohnheitsmäßige Ablage des Reisegepäck unter den Bänken. Ein einziges Rohr mit etwas größerem Durchmesser mitten unter den gemeinsamen Rückenlehnen sollte nach Vorschlag von Haag das Problem beheben.

Im März 1869 reagierte Haag in einem Schreiben mit Änderungsvorschlägen auf die festgestellten Mängel, und legte drei Pläne im Maßstab 1:20 bei, mit einem Heizwagen (Abb. 6), einem Wagen 1./2. Klasse, und einem Wagen 3. Klasse (Abb. 11).

Bild Heizwagen, Längs- und Querschnitt.
Abb.6: Heizwagen, Längs- und Querschnitt21.

Unter den Untergestellquerstreben des Heizwagens (Abb. 6) erstreckte sich fast über die ganze Wagenlänge ein großer Wasserbehälter von 960 oder 1100 Litern, der leicht von außen nachgefüllt werden konnte. Mittels einer Handpumpe wurde das Wasser von dort in den Kessel gepumpt. Der spezielle Heizkessel war ein kleiner Stehkessel von 330 Litern mit 90 Heizrohren, von dem seit Beginn nur ein einziger Typ verwendet wurde, der (zumindest bis 1876) nicht verändert wurde. Er besaß alle Einrichtungen eines Dampfgenerators, nämlich Wasserstand, Entnahmehahn, Manometer, Sicherheitsventil, Entlüftungshahn, und ein Mannloch für die Reinigung. Wie zuvor konnte der Dampf an zwei verschiedenen Ventilen entnommen werden, von denen jeweils ein Rohr zu einer der Pufferbohlen führte, so daß die Wagen unabhängig von der Position des Packwagens im Zug und gleichzeitig in beide Richtungen beheizt werden konnten. Eine spezielle Dampfentnahme erlaubte es, den überschüssigen Dampf während oder am Ende der Fahrt zurück in den Wassertank zu leiten. Die Sicherheitsventile waren auf 3 Atmosphären Druck eingestellt, die nicht überschritten werden durften11.

Es gab verschiedene Varianten von Heizwagen. Die ersten neun waren ehemalige Gepäckwagen von 1862-64. Sie hatten ein hölzernes Untergestell mit eisernen Längsträgern, einen Radstand von 4,00m und ein Bremserhaus, das von außen über ein „Plateau“ zugänglich war. Von ihnen liegen uns keine Skizzen vor, weshalb ein Modell des Ausgangstyps abgebildet wird (Abb. 7). Einer von ihnen existierte noch 1913, die anderen waren schon vor 1891 zurückgebaut worden bzw. dienten als Requisiten- bzw. Hilfsgerätewagen. Mit der Skizze 454 „Requisitenwagen“ im Verzeichnis 1913 ist nur ein ähnlich aussehender Güterwagen mit 3,65 m Radstand abgebildet.

Bild Gepäckwagen (H0-Modell Bavaria, leicht modifiziert).
Abb.7: Gepäckwagen (H0-Modell Bavaria, leicht modifiziert).

Das folgende Modell (Abb. 8) ist nach der Skizze 47 des amtlichen Wagenverzeichnisses von 1883 gebaut worden. Diese Wagen sind durch Umbau von Güterwagen mit 3,56 m Achsstand entstanden und hatten bis auf die Pufferbohle vollständig eiserne Untergestelle.

Bild Heizwagen C 7986, Baujahr 1868, Heizung 1871 (H0-Modell RaiMo, umgebaut).
Abb. 8: Heizwagen C 7986, Baujahr 1868, Heizung 1871 (H0-Modell RaiMo, umgebaut).

Es gibt eine ältere Skizze dieses Wagentyps in einem Sanitätszug-Verband (Abb. 9). Drei für Krankenzüge bestimmte Heizwagen waren mit je zwei Stirnwandtüren und Übergangsbühnen mit umlegbaren Geländern versehen.

Bild Heizwagen des „K. Bayr. Spitalzuges“ (Rathgeber).
Abb. 9: Heizwagen des „K. Bayr. Spitalzuges“ (Rathgeber)22.

Daneben waren bis zum Ende des Jahres 1869 auch 60 Stück der neueren Güterwagen mit 3,65 m Achsstand zu Heizwagen umgebaut worden. Dies führte zu einem deutlichen Mangel an Güterwagen, nachdem weitere 36 von ihnen in Dienst-, bzw. Gepäckwagen umgewandelt und 91 von den älteren Güterwagen ausgemustert waren; und überdies der Verkehr deutlich zugenommen hatte24. Bei dem folgenden ehemaligen Güterwagen (Abb. 10) war das Bremserhaus von außen und von innen zugänglich; der Heizkessel stand folglich etwas weiter in Richtung Wagenmitte versetzt.

Bild Heizwagen C 8172, Baujahr 1868, Heizung 1880er Jahre (H0-Modell RaiMo, umgebaut).
Abb. 10: Heizwagen C 8172, Baujahr 1868, Heizung 1880er Jahre (H0-Modell RaiMo, umgebaut).

Bei den Personenwagen hatte sich gegenüber den Prototypen wenig verändert, wenn man von Sparmaßnahmen beim Einbau der Regulatoren absieht. In der 3. Klasse fehlten die Stellhebel; die Regulierung erfolgte von außerhalb der Wagen an den Enden der Dampfleitungen. Wurde es zu heiß, mußten die Passagiere eben "ventiliren"; nur die Passagiere der Polsterklasse kamen in den Genuß einer individuellen Einstellmöglichkeit. Haag schreibt dazu5:

Es zeigte sich jedoch das Bedürfniß, die Einrichtung welche ich schon beim Probezug i. J. 1868/69 getroffen hatte, um in jedem einzelnen Coupè den Dampf beliebig einströmen lassen oder absperren zu können, für alle Waggons in sämmtlichen Zügen herzustellen, was auch i. J. 1870/71 und 1871/72 bei allen Waggons erster und zweiter Classe ausgeführt wurde. [...]

Die Ventilirung kann bei den Coupèwaggons durch die über den Thüren angebrachten Jalousien genügend hergestellt werden [...], oder auch durch eigens aufgesetzte Ventilationsröhren [...]. Da weder die Fenster noch die Thüren hermetisch schließen, so wird hauptsächlich während der Fahrt stets frische Luft hereindringen, besonders wenn ein Abzug der Luft durch Oeffnen der Jalousien oder der zu diesem Zweck angebrachten Luftröhren hergestellt worden ist.

In den 3.-Klasse-Wagen (Abb. 11) befand sich nun ein einzelnes Heizrohr unter der gemeinsamen Rückenlehne jeder Doppelsitzbank. Die Heizrohre waren aus 3 mm starkem Schmiedeeisen mit geschweißter Naht und widerstanden 20 Atmosphären Druck.

Bild Personenwagen 3. Klasse, Längs- und Querschnitt.
Abb.11: Personenwagen 3. Klasse, Längs- und Querschnitt21.

Damit trotz einer abgesperrten Dampfleitung die Versorgung der anderen Wagen nicht unterbrochen war, wurde unter derselben zur Überbrückung eine weitere Dampfleitung montiert. Die Zugbegleiter konnten durch Verdrehen des Ventils (Abb. 12), dessen Hülse zwei versetze Öffnungen a und b besaß, die Dampfrohre r und r1 wechselweise ein- bzw. ausschalten. Wurde ein Wagen abgestellt, konnten in einer weiteren Stellung der Absperrvorrichtung beide Rohre verschlossen werden. Die Dampfleitungen hatten einen Durchmesser von 4,2 cm außen und 3,2 cm innen; sie waren von der gleichen Dichtungsmasse wie bei den Ostbahnen umhüllt (siehe dort) und darüberhinaus von einem hölzernen Kasten umgeben. An den Enden befanden sich normale, geschlitzte Verbindungshähne, die häufig etwas Dampf entweichen ließen und bei Frost auch gelegentlich platzten, wenn nach der Ankunft des Zuges das vollständige Ablassen des Kondenswassers vergessen worden war. Man plante, sie durch die bei den Ostbahnen verwendeten Hähne zu ersetzten. Die Kautschukschläuche zur Verbindung der Wagen untereinander, aus vulkanisiertem Gummi mit innerer Spiralfeder, hatten anfangs große Probleme bereitet: von insgesamt 920 hatte man bis zu 250 Schläuche pro Monat austauschen müssen. Bis 1876 war man zu Schläuchen übergegangen, die aus 5 Stärken Tuch und dazwischenliegenden Kautschukschichten bestanden11.

Bild Äußere Absperrvorrichtung, Vertikal- und Querschnitt.
Abb.12: Äußere Absperrvorrichtung, Vertikal- und Querschnitt21.

Die Passagiere der Polsterklasse konnten an einem "Regulirkästchen" oberhalb der Rückenlehne die Dampfzufuhr zu jedem Heizrohr individuell einstellen (Abb. 13, links). Die Bewegung eines Porzellanknopfes (q, K) hob oder senkte das Ventil in seinem konischen Sitz; daneben war ein kleines Quecksilber-Thermometer angebracht. Dieser Apparat funktionierte zunächst nicht zufriedenstellend: die Teile im Kontakt mit der Nockenscheibe und dem Ventil nützten sich schnell ab, Sand und Staub gerieten unter das Ventil und verhinderten sein Schließen. Man mußte dann den Apparat auseinandernehmen, was sich als aufwendig herausstellte11.

Bild Patentiertes Regulierventil von Joh. Haag. Links: Bauart der Staatsbahn; rechts: Bauart der Ostbahn.
Abb.13: Patentiertes Regulierventil von Joh. Haag. Links: Bauart der Staatsbahn; rechts: Bauart der Ostbahn5.

Die Regulatoren wurden nur in Wagen der 1. und 2. Klasse eingebaut. Eine weitere Einsparmöglichkeit ergab sich, indem man dort nur eine Regulierung pro Abteil einbaute, was heiztechnisch sogar sinnvoll war, und in den Halbcoupès gar keine23. So kamen auf einen Wagen 1./2. Klasse nur 3 statt 7 und auf einen 2. Klasse nur 4 statt 8 Stück. „Für die Herstellung einer completen Absperr-Vorrichtung, betreffend aus einem Ventilstock patentirter Construction mit Flanschen und Schrauben, dann Hebel, Gestänge mit Schieber und Thermometer beansprucht Haag inclusive Montage den Preis von 12f per Stück.“ In dem Schreiben wurde auch erwähnt, dass der „königl. Generaldirections-Rath Exter seel.“ [= selig bzw. verstorben] die Absperrventile in einigen Wagen hat ausbauen lassen. Das waren die Wagen des ersten Versuchszugs. Grund wird die Unzulänglichkeit der Absperrvorrichtungen gewesen sein, wie an verschiedenen Stellen moniert wurde.

Obwohl sich die Dampfheizung als eine praktische Heizmethode erwiesen hat, wurden gleichzeitig noch Ofenheizungen in Wagen eingebaut. Dazu liegen uns praktisch keine Unterlagen vor. Bei der Serie eines Ci der 70er Jahre ist im Wagen­verzeichnis 1913 zum Platzbedarf folgende bezeichnende Anmerkung angegeben: „Der Ofen kann herausgenommen durch 2 viersitzige Doppelbänke ersetzt werden.“ Auch eine Reihe von Dienstwagen besaß Kohleöfen, z. B. Pg Wagen aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende. Die Dienstwagen waren immer mit Dienstpersonal besetzt das die Öfen bedienen konnte. Auf diese Weise war man versorgt, auch wenn eine Lokomotive ohne Heizwasserentnahmemöglichkeit vorgespannt war.


Kapitel 4: Dampfheizung im Regelbetrieb