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Die Entwicklung der Wagenheizung bei den Eisenbahnen im Königreich Bayern


Dr. Gert von Rosen - von Hoewel, Dr. Andreas Werner

4. Dampfheizung im Regelbetrieb

In jedem Zug wurde eigens ein Heizer mitgeführt, der sich ausschließlich um die Bedienung und Wartung des Heizkessels und der Zuleitungshähne in den Dampfleitungen zu kümmern hatte. Die Personenwagen, die in Güterzügen mit Personenbeförderung eingestellt waren, wurden nicht beheizt. Die Überwachung und Bedienung der Heizapparate in den Wagen vor, während und nach der Fahrt war Aufgabe des Schaffners, dem bei langen Zügen ein Hilfsschaffner zur Unterstützung beigestellt wurde 11. Ende 1869 besaßen fast alle Eil-, Post- und Personenzüge heizbare Waggons mit insgesamt 282 Personenwagen und 60 Gepäckwagen, jetzt als Heizwagen der Gattung „C“ bezeichnet (Anmerkung: eine Verwechslung mit Personenwagen der 3. Klasse war nicht möglich, weil die Personenwagenklassen mit P und römischen Ziffern, hier also „PIII“ bezeichnet wurden). Die Heizungen arbeiteten einwandfrei, jedoch wurde besonders von den Reisenden der 1. Klasse häufig die Klage geäußert, dass die Abteile zu warm seien. Die Obercondukteure bzw. Zugführer wurden ausdrücklich dazu verpflichtet dafür zu sorgen, dass die Temperatur in den Abteilen nicht über 10° Rèaumur steigen sollte25.

Ein Kessel reichte aus, um maximal 14 Abteilwagen mit vier Abteilen zu beheizen. Wenn der Zug zwischen drei und sieben Wagen führte, was der Normalfall war, wurde der Heizkesselwagen vor dem am Zugende befindlichen Packwagen eingestellt; wenn der Zug mehr als sechs Wagen führte, wurde er in der Zugmitte eingestellt. Der Kessel mußte so angeheizt werden, daß 45 Minuten vor Abfahrt Dampf in die Rohre eingeleitet werden konnte, was ca. 1¼ Stunden dauerte und 22 kg Steinkohle erforderte. Die Dampfeinspeisungen während der Fahrt dauerten jeweils eine Viertelstunde und waren durch Intervalle von 10 Minuten getrennt. Auf diese Weise wurden die Abteile auf eine Temperatur von +12,5°C bis +15°C temperiert. Die Heizkessel wurden alle zwei Wochen gewaschen; die Heizrohre nach jeder Fahrt gereinigt. Die Vorschriften für das Personal waren denen der Ostbahn sehr ähnlich (siehe dort)11.

Für den praktischen Betrieb zielte man als erstes auf die Versorgung der Courierzüge zwischen Wien und Paris. Ein entsprechendes Anerbieten, die auf diese Weise neu eingerichteten Wagen zur Erprobung verkehren zu lassen, wurde an die beteiligten Bahnverwaltungen gemacht. Sie wurden dann ohne die 3.-Klasse-Wagen zwischen Wien und Kehl bzw. Straßburg eingesetzt. Trotz rauen Wetters konnte die Temperatur auf 17,5°C bis 20°C gehalten werden. Der Kohleverbrauch betrug 4½ Zentner auf einer Strecke. Neben den Versuchsfahrten lief die Umrüstung des übrigen Wagenparks auf Hochtouren.

Bei den Personenwagen verlief der Einbau der Heizungen nicht so zügig wie gewünscht. Die Firma Haag bekam bei dem großen Bedarf von Seiten der Staatsbahnen und bald auch der Ostbahnen Kapazitätsprobleme, so dass es zu Lieferverzögerungen kam und Konventionalstrafen in Kauf genommen werden mussten. Auch mussten bahnseitig einmal die nötigen Gelder bereitgestellt werden und es bereitete Schwierigkeiten, Wagen bei dem knapp bemessenen Fuhrpark für den Umbau dem Betrieb zu entziehen. Es wurden vorzugsweise die wichtigeren Linien mit beheizbaren Wagen ausgestattet und einige Nebenlinien blieben vorerst unversorgt. Das zeigte sich z. B., als eine direkte Zugverbindung zur Beförderung der Ostindischen Post eingerichtet wurde, die auf bayerischem Gebiet zwischen Kufstein und Aschaffenburg führte. Es mussten ergänzend vier Wagen 1./2. Klasse für Beheizung eingerichtet werden, wovon je zwei in Aschaffenburg und in Kufstein hinterstellt wurden26. Auch die Kurswagen 1. und 2. Klasse der Rheinischen Eisenbahn auf der Strecke Köln-Wien durchquerten bayerisches Gebiet und wurden daher sowohl mit den bei dieser Gesellschaft üblichen Preßkohlen-Apparaten als auch mit einer Dampfheizung bayerischer Bauart ausgerüstet11.

Bei Übergang der Wagen auf fremde Bahnen, die über keine solche Heizung verfügten, mussten die Heizschläuche abgenommen werden. Bei den betroffenen Wagen waren deshalb Zettel an die Längsträger zu kleben mit der Aufschrift: „Mit 1 Heizschlauch - K. B: ST. B. - Werkstätte ...“27. Die ständigen Manipulationen an den Heizschläuchen führten dazu, dass sie verloren gingen oder von fremden Bahnen stammende Heizschläuche eintrafen. So hat z.B. die sächsische Staatsbahn 1897 mitgeteilt, dass sie 115 Heizschläuche vermisst28.

Wie Haag vermerkt, wählten alle deutschen und österreichischen Bahnen, die Waggons mit seiner "patentirten Dampfheizung" versehen ließen, mit weiser Voraussicht ein und dasselbe Kaliber von Schlauchverbindungen. Nicht ohne Stolz teilt er mit5:

Die königl. bayerische Staatsbahn hat somit das Verdienst, in der Erwärmung der Eisenbahnwaggons mit einer zweckmäßigen, feuersicheren Heizmethode in großem Maaßstabe allen anderen Eisenbahnen Europas vorangegangen zu seyn; bald darauf ließen die großherzogl. badischen Bahnen, dann die königl. schwedischen Bahnen, die königl. priv. bayerischen Ostbahnen, die kais. russische Bahn und die k. k. priv. galizischen Bahnen diese Erwärmung mit Dampf in großer Ausdehnung nach meinem nun in mehreren Ländern patentirten System herstellen. Viele andere Bahnen, z.B. die bayerisch-pfälzische Ludwigsbahn, die oberschlesischen, niederschlesischen, sächsischen Bahnen, die Ferdinand's Nordbahn, die Breslauer, Wiener-Warschauer Bahnen etc. ließen nur probeweise einige Waggons nach meinem Systeme mit Dampfheizung einrichten; zugleich machten letztere Gesellschaften auch Versuche mit anderen Heizmethoden.

Auch in Berlin hatte sich der umtriebige schwäbische Industrielle um den Einbau von Wagenheizungen beworben, wie aus einer Anfrage des preußischen Handelsministers von Itzenplötz hervorgeht29. Der bayerische Minister Schlör lobte die Wirksamkeit der Heizung und das allgemeine Lob darüber auch besonders von Seiten der Reisenden der „niederen Klassen […] so dass auch die Nachbarbahnen genöthiget sind, dieser Einrichtung sich anzuschließen“. Er verschwieg aber nicht, es „mangeln bei unseren Wagen auch Einrichtungen zur Regulirung der Temperatur im Inneren, was ich als einen Fehler bezeichnen muß30. Schlör erwähnte auch ein weiteres Problem, an dem 1858 die ersten Heizungsversuche gescheitert waren, nämlich die Umständlichkeit beim An- und Abkuppeln beheizbarer Wagen. Dies lag daran, daß die Dampfleitungen wegen der Schraubenkupplung nicht mittig angeordnet werden konnten; beim Zusammenkuppeln des Zuges war es somit nötig, die Wagen so zu drehen, daß sich die Heizleitung bei allen auf derselben Seite befand. Schlör meinte aber, dass der zusätzliche Zeitaufwand im Lauf der Zeit bei einiger Übung nur noch unwesentlich sein sollte. Die Königlich-preußische Ostbahn hatte im Übrigen längst eine Lösung für dieses Problem gefunden, denn dort konnte der Verbindungsschlauch diagonal unter der Kupplung durchgeführt werden, so daß ein Drehen der Wagen entfiel11.

Zwischen den Personenwagen und der Lokomotive wurden oft Eilgut-Güterwagen eingestellt, und deshalb wurden 150 Stück von ihnen ebenfalls mit einer Heizleitung versehen. In besonderen Fällen eingesetzte Eilgutwagen ohne Heizleitung durften nur an das Ende des Zuges angehängt werden31. Für 60 Dienstwagen hatte man darüber hinaus gusseiserne Wärme-Tische mit stehenden Röhren angeschafft; diese erwiesen aber nicht als ausreichend, und einige sind in Folge fehlerhafter Bedienung explodiert. Die Wagen erhielten daraufhin Röhrenöfen mit 2,5m2 Heizfläche32.

Bild Dampfentnahme an der Lokomotive, bei der Staatsbahn (links) und bei der Ostbahn (rechts).
Abb. 14: Dampfentnahme an der Lokomotive, bei der Staatsbahn (links) und bei der Ostbahn (rechts). Nach11, Tafel 6.

Nach den positiven Erfahrungen der bayerischen Ostbahnen wurde bis 1876 auch bei den Staatsbahnen die direkte Dampfentnahme an der Lokomotive eingeführt. Auf diese Weise wurden nun die Schnellzüge geheizt, während Postzüge, Personenzüge und gemischte Züge weiter von einem separaten Heizkesselwagen bedient wurden. Zu diesem Zweck wurden etliche Personenzuglokomotiven mit einem Dampfent­nahmeapparat nachgerüstet (Abb. 15, links), der nahezu baugleich zu dem der Ostbahn war; Manometer und Überdruckventil lagen jedoch nebeneinander11.

Dank dieser Neuerungen war man zwar noch in den 1870er Jahren davon ausgegangen, bald ganz auf die Heizwagen verzichten zu können; dennoch erwiesen sie sich als unverzichtbar, um beispielsweise einen stehenden, abgekuppelten Zug auf der Station warm halten zu können. So wurden sogar noch 1913 die von der Industrie angebotenen, dreiachsigen „Heizkesselwagen“ nach preußischem Muster nach beschafft (Abb. 15). Einen Blick in das Innere des Vorbildes zeigt Abb. 16.

Bild Heizwagen 700034, 1913 (H0-Modell Bavaria).
Abb. 15: Heizwagen 700034, 1913 (H0-Modell Bavaria).
Bild Heizwagen, Innenraum.
Abb.16: Heizwagen, Innenraum22.

Der Grund mag hier weniger in den betrieblichen Notwendigkeiten der Staatsbahnen zu suchen sein, als in der allgemeinen Hochrüstung am Vorabend des ersten Weltkriegs, die eine von der Lokomotive unabhängige Heizeinrichtung für Lazarettzüge erforderlich werden ließ. In München war zumindest ein solcher Heizwagen für Lazarettzüge stationiert (Abb. 17).

Bild Heizkesselwagen 700 042 für Lazarettzüge.
Abb.17: Heizkesselwagen 700 042 für Lazarettzüge22.

1914 lieferte Maffei die elektrische Personenzug Lokomotive EP 3/6 (Abb. 18). Zur Beheizung der Wagen besaß sie einen Heizkessel am Ende des Wagenkastens, weshalb der eine Stromabnehmer zur Mitte versetzt montiert werden musste. Als Personenzuglokomotive wird sie beige/grün eingefärbt gewesen sein.

Bild EP 3/6. (H0-Modell Trix).
Abb.18: EP 3/6. (H0-Modell Trix).

Kapitel 5: Bayerische Ostbahnen